Zum Hauptinhalt springen

AG Dr. Hilger

Arbeitsgruppe Dr. med. Alina Hilger

CaRE for LUTO: Cause and Risk Evaluation of Lower Urinary Tract Obstruction

Unsere IZKF-Nachwuchsgruppe beschäftigt sich mit der Genese sogenannter lower urinary tract obstructions (LUTO). Angeborene Obstruktionen des unteren Harntrakts (LUTO) umfassen eine Gruppe von Geburtsfehlern des unteren Harntrakts, die den freien Urinabgang aus der Blase blockieren. Am häufigsten sind in dieser Gruppe von Fehlbildungen die hinteren Harnröhrenklappen. Die Blockierung des freien Urinabflusses führt zu einem Harnverhalt, der sich als ein- oder beidseitige Hydronephrose manifestieren kann. Die daraus resultierende Nierenschädigung führt bei bis zu 65 % der Betroffenen zu einer chronischen Nierenerkrankung. LUTO aller Art treten bei 1 von 4000 Lebensgeburten auf. LUTO-Fälle treten meist sporadisch auf, gelegntlich kann eine familiäre Häufung beobachtet werden, was auf eine genetische Beteiligung an der Entstehung dieser Krankheit schließen lässt. Da es sich bei LUTO um eine heterogene Gruppe von Fehlbildungen handelt, könnten heterogene genetische Faktoren bei ihrer Entstehung eine Rolle spielen. Für die wenigen Fälle innerhalb des LUTO-Spektrums, die durch funktionelle Störungen verursacht werden, wurden genetische Ursachen identifiziert, während für anatomische LUTO bislang nur eine einzige monogene Ursache beschrieben werden konnte. Diese erste monogene Ursache haben wir im Rahmen unsere Studie identifizieren können, sie betrifft jedoch nur eine kleine Anzahl von Patienten. Neben genetischen Veränderungen die nur einzelne Basen betreffen können größere Kopienzahlvariationen eine Rolle spielen. Genomweite Assoziationsstudien deuten darauf hin, dass eine multifaktorielle Genetik bei der Entstehung von LUTO ebenfalls eine Rolle spielt.

Des weiteren wollen wir mit dem Aufbau eines nationalen Registers versuchen die sehr heterogenen klinischen Verläufe der von LUTO betroffenen Kinder zu erfassen um so bessere Langzeitprognosemarker etablieren zu können.

Beide Studien werden von der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Nephrologie (GPN) unterstützt.

Mit Hilfe von molekulargenetischen Untersuchungen wollen wir den ursächlichen genetischen Faktoren der oben genannten seltenen Krankheiten auf den Grund gehen. Dabei gehen wir auf die Suche nach sowohl hoch penetranten (monogen vererbten) Varianten, die mit einem hohen Krankheitsrisiko verbunden sind und sich stark auf die Krankheitsentwicklung auswirken, als auch nach Varianten mit geringer Penetranz, die lediglich für die Fehlbildung disponieren (multifaktoriell bedingte Erkrankungen).  Für die Detektion dieser Varianten unterschiedlicher Penetranz verwenden wir unterschiedliche Methoden. Für einen Großteil der von uns beforschten Fehlbildungen stehen uns außerdem die weltweit größten Patientenkollektive zur Verfügung.

Identifizierung hochpenetranter Varianten

Zur Identifizierung hochpenetranter Varianten verwenden wir daher zum einen hochauflösende SNP-Arrays mit dem Ziel ursächliche Kopienzahlveränderungen (Verlust oder Zugewinn an genetischem Material) zu identifizieren, sowie das sog. „Next Generation Sequencing (NGS)“ um kleinere Varianten, z.B. Punktmutationen zu identifizieren. Kopienzahlvarianten (CNVs) können dazu beitragen, neue Kandidatengene für seltene Krankheiten zu identifizieren, indem die DNA von Personen mit einer bestimmten Krankheit mit der DNA nicht betroffener Personen verglichen wird. CNVs können zu einem Gewinn oder Verlust von einer oder mehreren Kopien eines bestimmten Gens oder Chromosomenabschnitts führen. Diese Veränderungen der Kopienzahl können sich auf die Genexpression und -funktion auswirken und möglicherweise zur Entwicklung einer Krankheit führen. Durch den Vergleich der CNVs von betroffenen Individuen mit CNVs von Individuen aus einer gesunden Kontrollkohorte können spezifische CNVs identifiziert werden, die bei Individuen mit der Krankheit häufiger vorkommen. Von diesen CNVs überlagerte Gene können dann als potenzielle Kandidatengene für die Krankheit in Betracht gezogen und weiter untersucht werden. Auch das Next Generation Sequencing (NGS) wird bei der Suche nach Varianten mit hoher Penetranz eingesetzt. Hierbei wird das gesamte Genom eines Patienten sequenziert und mit einem Referenzgenom verglichen. Mit dieser Methode kann nach verschiedenen Arten genetischer Variation gesucht werden, wie z.B. Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNPs), Insertionen, Deletionen, Kopienzahlvarianten (CNVs) oder Strukturvarianten (SVs). Sobald Varianten mittels NGS oder CNV-Analysen identifiziert wurden, validieren wir diese mit Hilfe zusätzlicher Methoden (z.B. PCR-basierten Techniken). In diesem Validierungsprozess bestätigen wir das Vorhandensein der Varianten und können nachfolgend ihre Auswirkungen auf die Krankheitsentwicklung bewerten.

Identifizierung genetischer Varianten mit geringer Penetranz

Zur Identifizierung disponierender genetischer Varianten mit geringer Penetranz führen wir genomweite Assoziationsuntersuchungen (GWAS) an umfangreichen Patientenkollektiven durch.  Die GWAS, ist eine Methode, die in der Genetik eingesetzt wird, um Zusammenhänge zwischen genetischen Variationen in Single Nucleotide Polymorphisms (SNPs) und Merkmalen oder Krankheiten zu ermitteln. Dabei werden große Mengen genetischer Daten von vielen Personen analysiert, um SNPs zu identifizieren, die bei Personen mit einem bestimmten Merkmal oder einer bestimmten Krankheit häufiger auftreten als bei Personen ohne dieses Merkmal. Der große Stichprobenumfang bei GWAS trägt dazu bei, schwache Assoziationen zwischen den SNPs und dem Merkmal oder der Krankheit aufzudecken, die in kleineren Studien möglicherweise nicht entdeckt werden würden.

Sobald ein potenzielles krankheitsverursachendes Gen identifiziert und validiert wurde, können weitere Versuche durchgeführt werden, um die spezifische Rolle dieses Gens bei der Entstehung der Krankheit zu untersuchen. Dazu nutzen wir momentan vor allem das Zebrafischmodell. Das Zebrafischmodell hat in der Genetikforschung zunehmend an Bedeutung gewonnen. Da es sich bei angeborenen Fehlbildungen meist um komplexe Anlagestörungen handelt und die Komplexität der Entwicklung von Fehlbildungen ganzer Organsysteme nicht in einer einfachen Zellkultur abgebildet werden kann, bietet sich der Zebrafisch als Modellorganismus für Untersuchungen der identifizierten Kandidatengene an. Die Verwendung von Zebrafischmodellen hat gegenüber herkömmlichen Tiermodellen (wie zum Beispiel Mausmodellen) in der Genforschung mehrere Vorteile. Zum einen entwickeln sich Zebrafischembryonen nach der Laichablage außerhalb des Mutterorganismus, was eine nicht invasive Beobachtung sämtlicher Entwicklungsvorgänge ermöglicht. Die Transparenz von Zebrafischembryonen lässt außerdem eine Echtzeit-Visualisierung der Genexpression und der Organentwicklung zu, was ein detaillierteres Verständnis der Rolle spezifischer Gene in der Entwicklung ermöglicht. Zudem haben Zebrafische eine hohe Reproduktionsrate, so dass es möglich ist, groß angelegte genetische Untersuchungen durchzuführen, um zusätzliche krankheitsverursachende Gene zu identifizieren. Dies ist bei Mausmodellen nicht möglich, da die Anzahl der Nachkommen begrenzt ist und die Zucht länger dauert. Außerdem haben Zebrafische eine kurze Generationszeit, so dass die Forscher in relativ kurzer Zeit mehrere Generationen von Kreuzungen durchführen können. Dies ermöglicht die schnelle Identifizierung neuer krankheitsverursachender Mutationen und die Untersuchung ihrer Auswirkungen auf die Genexpression und Organentwicklung.

Unsere Forschungsarbeiten tragen damit zu einem besseren Verständnis der biologischen Mechanismen normaler und gestörter embryonaler Entwicklung der menschlichen Organsysteme bei. Die Identifizierung hochpenetranter ursächlicher Varianten eröffnet zudem neue diagnostische Möglichkeiten und erlaubt eine genaue Einschätzung des Wiederholungsrisikos für die betroffenen Familien.

  • 2021 bis 2022: RECORD (Research Center On Rare Kidney Diseases), funden by Else Kröner-Fresenius-Stiftung and Eva Luise and Horst Köhler Stiftung (Project No: 2019_KollegSE.04)
  • Seit 2022: IZKF Erstantragssteller Programm (J98):Detecting disease genes in urorectal malformations

Ausgewählte Publikationen

Genome-wide association study in patients with posterior urethral valves.  van der Zanden LFM, Maj C, Borisov O, van Rooij IALM, Quaedackers JSLT, Steffens M, Schierbaum L, Schneider S, Waffenschmidt L, Kiemeney LALM, de Wall LLL, Heilmann S, Hofmann A, Gehlen J, Schumacher J, Szczepanska M, Taranta-Janusz K, Kroll P, Krzemien G, Szmigielska A, Schreuder MF, Weber S, Zaniew M, Roeleveld N, Reutter H, Feitz WFJ, Hilger AC.Front Pediatr. 2022 Sep 27;10:988374. doi: 10.3389/fped.2022.988374. eCollection 2022.PMID: 36238604 Free PMC article.

Diverse ancestry whole-genome sequencing association study identifies TBX5 and PTK7 as susceptibility genes for posterior urethral valves.  Chan MMY, Sadeghi-Alavijeh O, Lopes FM, Hilger AC, Stanescu HC, Voinescu CD, Beaman GM, Newman WG, Zaniew M, Weber S, Ho YM, Connolly JO, Wood D, Maj C, Stuckey A, Kousathanas A; Genomics England Research Consortium; Kleta R, Woolf AS, Bockenhauer D, Levine AP, Gale DP.Elife. 2022 Sep 20;11:e74777. doi: 10.7554/eLife.74777.PMID: 36124557 Free PMC article.

Rare Variants in BNC2 Are Implicated in Autosomal-Dominant Congenital Lower Urinary-Tract Obstruction.  Kolvenbach CM, Dworschak GC, Frese S, Japp AS, Schuster P, Wenzlitschke N, Yilmaz Ö, Lopes FM, Pryalukhin A, Schierbaum L, van der Zanden LFM, Kause F, Schneider R, Taranta-Janusz K, Szczepańska M, Pawlaczyk K, Newman WG, Beaman GM, Stuart HM, Cervellione RM, Feitz WFJ, van Rooij IALM, Schreuder MF, Steffens M, Weber S, Merz WM, Feldkötter M, Hoppe B, Thiele H, Altmüller J, Berg C, Kristiansen G, Ludwig M, Reutter H, Woolf AS, Hildebrandt F, Grote P, Zaniew M, Odermatt B, Hilger AC.Am J Hum Genet. 2019 May 2;104(5):994-1006. doi: 10.1016/j.ajhg.2019.03.023.PMID: 31051115 Free PMC article.

Genome-Wide Survey for Microdeletions or -Duplications in 155 Patients with Lower Urinary Tract Obstructions (LUTO).  Schierbaum LM, Schneider S, Herms S, Sivalingam S, Fabian J, Reutter H, Weber S, Merz WM, Tkaczyk M, Miklaszewska M, Sikora P, Szmigielska A, Krzemien G, Zachwieja K, Szczepanska M, Taranta-Janusz K, Kroll P, Polok M, Zaniew M, Hilger AC.Genes (Basel). 2021 Sep 20;12(9):1449. doi: 10.3390/genes12091449.PMID: 34573432 Free PMC article.

Whole-exomeresequencingrevealsrecessivemutations in TRAP1 in individualswith CAKUT and VACTERL association. Saisawat P, Kohl S, Hilger AC, Hwang DY, Yung Gee H, Dworschak GC, Tasic V, Pennimpede T, Natarajan S, Sperry E, Matassa DS, Stajić N, Bogdanovic R, de Blaauw I, Marcelis CL, Wijers CH, Bartels E, Schmiedeke E, Schmidt D, Märzheuser S, Grasshoff-Derr S, Holland-Cunz S, Ludwig M, Nöthen MM, Draaken M, Brosens E, Heij H, Tibboel D, Herrmann BG, Solomon BD, de Klein A, van Rooij IA, Esposito F, Reutter HM, Hildebrandt F.Kidney Int. 2014 Jun;85(6):1310-7. doi: 10.1038/ki.2013.417. Epub 2013 Oct 23.PMID: 24152966 Free PMC article.

De novo microduplications at 1q41, 2q37.3, and 8q24.3 in patients with VATER/VACTERL association.  Hilger A, Schramm C, Pennimpede T, Wittler L, Dworschak GC, Bartels E, Engels H, Zink AM, Degenhardt F, Müller AM, Schmiedeke E, Grasshoff-Derr S, Märzheuser S, Hosie S, Holland-Cunz S, Wijers CH, Marcelis CL, van Rooij IA, Hildebrandt F, Herrmann BG, Nöthen MM, Ludwig M, Reutter H, Draaken M.Eur J Hum Genet. 2013 Dec;21(12):1377-82. doi: 10.1038/ejhg.2013.58. Epub 2013 Apr 3.PMID: 23549274 Free PMC article.

Targeted Resequencing of 29 Candidate Genes and Mouse Expression Studies Implicate ZIC3 and FOXF1 in Human VATER/VACTERL Association.  Hilger AC, Halbritter J, Pennimpede T, van der Ven A, Sarma G, Braun DA, Porath JD, Kohl S, Hwang DY, Dworschak GC, Hermann BG, Pavlova A, El-Maarri O, Nöthen MM, Ludwig M, Reutter H, Hildebrandt F.Hum Mutat. 2015 Dec;36(12):1150-4. doi: 10.1002/humu.22859. Epub 2015 Sep 14.PMID: 26294094 Free PMC article.

 

PubMed: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/?term=Alina+Hilger

ResearchGate: https://www.researchgate.net/profile/Alina-Hilger

ORCID.org: https://orcid.org/0000-0002-0354-7584

Leitung

Mitarbeitende

Johanna Einhaus

Medizinische Doktorandin
Projekt: General contribution of copy number variants (CNVS) in the formation of LUTO

Daniel Hahn

Arzt
Projekt: Functional assesment of the LUTO candidate gene CSE1L in zebrafish

Markus Zeilmann

Medizinischer Doktorand
P.:Identification of variants in candidate genes in LUTO individuals through MIP based re-sequencing