Mehrlingsschwangerschaften in Erlangen gut aufgehoben
Forschende des Uniklinikums Erlangen stellen neue Daten auf Kongress vor
In den vergangenen sechs Jahren wurden an der Frauenklinik (Direktor: Prof. Dr. Matthias W. Beckmann) des Uniklinikums Erlangen 15 Schwangerschaften mit Drillingen und zwei Vierlingsschwangerschaften betreut. In nahezu allen Fällen gelang es, die Schwangerschaft so lange wie möglich zu halten, ohne dass die Mutter oder ihre ungeborenen Kinder Schaden nahmen. 50 dieser Mehrlinge kamen zwischen der 26. und der 36. Schwangerschaftswoche zur Welt; nur in einem Fall erfolgte die Geburt schon in der 22. Schwangerschaftswoche – vor Erreichen der Lebensfähigkeit außerhalb des Mutterleibes. Immer war das Universitäts-Perinatalzentrum Franken (Sprecher: Prof. Dr. Matthias W. Beckmann und Prof. Dr. Heiko Reutter) des Uniklinikums Erlangen in der Lage, ein erfahrenes, interdisziplinäres Team der Geburtshilfe und der Neonatologie aufzustellen, das für eine optimale Erstversorgung der Frühchen sorgte. Mehr als drei Viertel von ihnen konnten die Klinik später ohne erkennbaren gesundheitlichen Schaden verlassen. Prof. Dr. Holm Schneider, Oberarzt der Kinder- und Jugendklinik (Direktor: Prof. Dr. Joachim Wölfle) des Uniklinikums Erlangen, hat alle seit 2020 betreuten höhergradigen Mehrlingsschwangerschaften rückblickend ausgewertet. Die Daten werden jetzt erstmals auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin vorgestellt.
Die Häufigkeit von Mehrlingsschwangerschaften steigt weltweit an, was unter anderem auf eine zunehmende Inanspruchnahme der Reproduktionsmedizin zurückzuführen ist. Doch gerade diese Schwangerschaften gehen mit Risiken einher, die viel Umsicht und Erfahrung in der Betreuung der Schwangeren erfordern. „Schon bei Zwillingen sind manchmal erhebliche medizinische Herausforderungen zu bewältigen“, sagt Prof. Schneider. „Deshalb ist eine sorgfältige und ausführliche vorgeburtliche Beratung entscheidend – vor allem für Schwangere, die Drillinge, Vierlinge oder sogar Fünflinge erwarten.“
Gute Beratung als Schlüssel
In den Beratungsgesprächen gilt es, die werdenden Eltern über das Risiko einer Frühgeburt aufzuklären, die schwerwiegende Komplikationen und dauerhafte Gesundheitsschäden der Kinder nach sich ziehen kann. Um Frühgeburten zu vermeiden und die Gesundheit der Mutter zu schützen, wird mancherorts eine sogenannte Reduktion von Mehrlingen durchgeführt, ein Eingriff im ersten Schwangerschaftsdrittel, mit dem die Anzahl der Föten in einer Mehrlingsschwangerschaft verringert wird. „Das ist eine nicht nur emotional belastende Entscheidung“, so Prof. Schneider. „Ethische, medizinische und psychosoziale Aspekte müssen bei der Entscheidungsfindung diskutiert werden.“ Um die Datengrundlage für die Beratung zu aktualisieren und Fortschritte in der Pränatalmedizin sowie in der Versorgung von Frühgeborenen angemessen zu berücksichtigen, wurden nun die seit 2020 am Universitäts-Perinatalzentrum Franken betreuten höhergradigen Mehrlingsschwangerschaften rückblickend ausgewertet.
Hand in Hand: Geburtshilfe und Neonatologie
So zeigen die Daten etwa, dass es gelang, Schwangerschaften mit Drillingen und Vierlingen im Mittel 218 Tage – also bis zum Beginn der 32. Schwangerschaftswoche – auszutragen: „Erfolgreiche Maßnahmen zur Verlängerung der Schwangerschaftsdauer waren die Einlage von Gebärmutterhals-Pessaren und die medikamentöse Wehenhemmung“, berichtet PD Dr. Michael O. Schneider, geschäftsführender Oberarzt der Frauenklinik. Nur in einem Fall habe sich eine extreme Frühgeburt leider nicht verhindern lassen und die Drillinge wurden geboren, bevor sie außerhalb des Mutterleibes lebensfähig waren. Alle anderen Kinder (50 von 53) kamen nach der 26. Schwangerschaftswoche zur Welt und wurden anschließend zumeist in der Kinderklinik betreut. Dank der Fürsorge des Pflegepersonals und des ärztlichen Teams der Neonatologie verließen mehr als 75 Prozent der betroffenen Kinder die Klinik ohne erkennbaren gesundheitlichen Schaden. „Standardisierte Entwicklungstests im Alter von zwei Jahren gehören bei einem Geburtsgewicht unter 1.500 Gramm stets zur Nachsorge“, erläutert Prof. Dr. Heiko Reutter, Leiter der Neonatologie und Pädiatrischen Intensivmedizin. „Sonst erfolgen sie nur fakultativ.“ Bei solchen Tests fielen aber auch zwei in der 35. Schwangerschaftswoche geborene, mehr als 1.500 Gramm schwere Mehrlinge mit unterdurchschnittlichen Werten unklarer Ursache auf. Prof. Schneider betont, dass die weitere Entwicklung dieser Kinder durch Anbindung an das Sozialpädiatrische Zentrum vor Ort (Sprecherin: Prof. Dr. Regina Trollmann) sowie durch gezielte Fördermaßnahmen unterstützt werde. Er bekräftigt jedoch, dass die meisten Drillinge und Vierlinge, die bisher nachuntersucht wurden, keine relevanten Auffälligkeiten gezeigt hätten.
Bundesweites Register höhergradiger Mehrlinge
Prof. Schneider hat schon viele Familien mit Mehrlingen über Jahre begleitet. Als Mitglied des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin ist er an einer fachübergreifenden vorgeburtlichen Beratung auch bei Mehrlingsschwangerschaften sehr interessiert. „Die Fortschritte in der Pränatalmedizin und der Geburtshilfe sowie in der Versorgung von Frühgeborenen müssen dabei natürlich Berücksichtigung finden“, sagt er – und schlägt die bundesweite Erhebung aktueller Daten in einem Register höhergradiger Mehrlinge vor, um die Fragen der Schwangeren adäquat beantworten zu können.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Holm Schneider
09131 85-33118
holm.schneider(at)uk-erlangen.de




